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Selbstverantwortung und Gesundheit
30. August 2021
KÖRPERORIENTIERTE THERAPIEN & -MEDITATIONEN
Die Bedeutung körperorientierter Therapien & Meditationen – Eine Sicht des Tibetischen Buddhismus – Teil 2
23. Januar 2022

Die Bedeutung körperorientierter Therapien & Meditationen – Eine Sicht des Tibetischen Buddhismus – Teil 1

KÖRPERORIENTIERTE THERAPIEN & -MEDITATIONEN

Die Bedeutung körperorientierter Therapien & Meditationen - Eine Sicht des Tibetischen Buddhismus - Teil 1

Entkörperung

Warum körperorientierte Therapien und -Mediationen wichtig sind.

Aus der Sicht des tibetischen Buddhismus ist der heutige Mensch von seinem Körper und seiner physischen Existenz abgeschnitten. Die meisten Menschen suchen Glück und Erfüllung irgendwo anders: in einem anderen Körper, einem anderen Gefühlszustand, einem anderen Alter, einer anderen Persönlichkeit, einem anderen Job, einem anderen Haus, einer anderen Stadt oder Land, etc.

Es gab noch nie eine so große Körperfremdheit wie in der heutigen Zeit. Wenn wir uns mit unserem Körper beschäftigen, beschäftigen wir uns mit ihm über den Kopf. Wir wollen sexy und attraktiv sein, wir nehmen ab (oder zu), oder unterziehen uns gar Schönheitsoperationen. Wir gehen ins Fitnessstudio, schminken und kleiden uns hip und versuchen so, möglichst anziehend zu sein. Sportliche Menschen neigen dazu, ihren Körper total zu überfordern und ihn weit über die natürlichen Grenzen hinaus anzutreiben. Wir schlucken Medikamente, um unsere Leistung künstlich zu steigern oder die Wahrnehmung von Schmerzen zu unterdrücken. Wenn wir ehrgeizig sind, beuten wir unseren Körper mit viel zu langen Arbeitstagen aus und greifen vielleicht abends zu Drogen und Aufputschmitteln. Wir haben zwanghaft ständig wechselnde Sexualkontakte, um von unserer Einsamkeit abzulenken oder verbringen Stunden und Tage vor dem Fernseher. Unser Körper wird zum Opfer unserer Aktivitäten, zum Sklaven unserer Wünsche. Wir begehen Missbrauch an uns selbst.


Was ist die Ursache dieses entkörperten Zustandes?

In unserer Kultur und Gesellschaft gibt es kaum noch Zeiten der Stille, der Einkehr, der Reflexion und des Alleinseins. Stattdessen ist Stress an der Tagesordnung. Der Stresslevel ist so hoch wie noch nie zuvor in der Geschichte der Menschheit und er betreibt Raubbau an unserer körperlichen und geistigen Gesundheit. Er verhindert letztendlich, dass wir in unserem Körper sind. Wir haben inzwischen nur noch ein mentales Bild von unserem Körper, wissen aber nicht, was der Körper IST. Es ist so, als würden wir das Foto einer Person für die Person selbst halten.


Körperlosigkeit - Gefühllosigkeit

Die Körperfremdheit hat auch damit zu tun, dass wir durch die Betäubung des Körpers auch unsere Gefühle betäuben. Die meisten von uns haben wenig Vertrauen in ihre Gefühle. Mehr noch, Gefühle sind uns unheimlich und machen uns Angst. Sie sind unkontrollierbar und haben damit etwas Überwältigendes und Erschreckendes. In unserer Kultur gelten sie als Ausdruck unserer „niederen Natur“. Unsere Gesellschaft ist „gefühl-feindlich“, Gefühle sind nicht sachdienlich, effizient, produktiv, kalkulier- und planbar. In unserer Gesellschaft geht es vornehmlich um Erfolg, Anerkennung, materiellen Reichtum … und dies fordert den Tribut unserer Gefühle und unserer Körperlichkeit. Da Gefühle im Körper und durch den Körper erfahren werden, entfernt uns unsere negative Einstellung zu den Gefühlen immer mehr von unserem Körper. So schaukeln sich die Furcht vor Gefühlen und die physische Körperfremdheit gegenseitig auf.


Der Körper aus der Sicht des tibetischen Buddhismus

Aus Sicht des tibetischen Buddhismus ist unser Körper ein Universum, das es zu entdecken gibt. Dieses können wir erkunden, indem wir Körperarbeit praktizieren und lernen, uns in unserem Körper zu verwurzeln. Die Verwurzelung in unserem Körper ist gleichzeitig eine Voraussetzung für Gesundheit. Wenn wir gesunden wollen, müssen wir uns auf die abenteuerliche Reise in den Körper begeben, auch wenn dies oft schmerzhaft sein kann. Wenn wir uns auf die Entdeckungsreise zu unserem Körper einlassen, stellen wir irgendwann fest, dass auch die Welt in der wir leben, bisher nur unser Foto der Welt war. Diese Erfahrung haben viele Menschen gemacht: Wenn wir uns verändern, verändert sich unsere Sicht auf die Welt, bzw. auch die Welt selbst in unserem Erleben.


Der Weg ist das Ziel

Die Entdeckungsreise zu unserem Körper ist nie abgeschlossen und so sagen die Buddhisten: „Der Weg ist das Ziel“. Es geht nicht darum, irgendein Ziel zu erreichen, sondern sich auf den Prozess des eigenen Lebens einzulassen. Dieser Weg oder Prozess ist jedoch nicht leicht. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich im Westen die Körperpsychotherapie entwickelt. Sie geht davon aus, dass im Körper des Erwachsenen emotionale Informationen aus der frühen Kindheit gespeichert sind. Dies können aus frühen Erfahrungen abgeleitete „Kernüberzeugungen“ sein, wie z.B.: „Ich bin nicht gut genug.“ Nach den Theorien der Körperpsychotherapie werden solche „Überzeugungsstrukturen“ oder „Kernüberzeugungen“ unbewusst als Gefühl im Körper gespeichert und beeinflussen und filtern das gesamte Erleben der Realität. Sie begründen in uns einen bestimmten Glauben, wie die Welt „wirklich“ ist.

Wilhelm Reich, als ein Vertreter und Begründer der Körperpsychotherapie, erklärt dies mit dem sog. „Körperpanzer“ und meint damit chronische Muskelspannungen, die durch traumatische, schmerzhafte und erschreckende Erlebnisse in den frühen Jahren entstanden sind. Sie dienen dazu, uns von unseren Gefühlen und unserer körperlichen Wahrnehmung abzuschneiden, so dass traumatische Ereignisse verdrängt und damit erträglich werden.

Die buddhistischen Lehren gehen noch weiter und behaupten, unser ganzes Karma aus vergangenen Inkarnationen ist in unserem Körper gespeichert und beeinflusst zutiefst unser Empfinden und Denken. Und alles, was für unser jetziges Leben nicht annehmbar ist wird „eingefaltet,“ sprich ins Unbewusste, in den Körper, verschoben.


Der Grund unseres Leidens

Die ins Unbewusste, in den Körper zurück geschobenen Erfahrungen machen sich in Form von Spannungen bemerkbar. Es sind ursprünglich Spannungen des Egos, das an einem Konzept von uns selbst und der Welt festhält. Natürlicherweise gibt uns unser Körper ständig Hinweise, was zu beachten und was wichtig für uns und unsere Gesundheit ist, doch das Ego weist diese Informationen zurück. Je mehr die Spannungen in uns aufrecht erhalten werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir unter Dauerstress stehen und körperlich oder psychisch erkranken.


Die Buddha Natur

Letztendlich liegt in unseren Spannungen auch der Schlüssel zur Verkörperung. Dazu müssen wir lernen, durch sie hindurchzugehen und sie Stück für Stück loszulassen. Dabei können unangenehmen Gefühle hochkommen, oder auch eine Klarheit über Lebensumstände, die uns belasten, an denen wir aber bisher festhalten haben. Durch das Hindurchgehen und Loslassen erwecken wir den Körper zu seinem ursprünglichen Leben. Wenn wir in unserem Körper sind, dann sind wir in Verbindung mit uns selbst, unseren Gefühlen, mit der Natur und mit anderen Menschen. Dann würdigen wir andere Lebensformen als Wesen, die atmen und leben, also als wissende Subjekte. Der Buddhismus geht davon aus, dass in jedem von uns die Buddha Natur zu finden ist, ein Zustand der Offenheit, Heiligkeit, Liebe und des Mitgefühls für andere Menschen. Solange wir diesen Zustand nicht bewusst erfahren, bleiben wir im Leiden verhaftet. Und wir werden so lange leiden, wie wir an der Oberfläche (im Aussen) leben. Erst wenn wir uns für den Körper öffnen, wenn wir aus der Tiefe unserer eigenen Person heraus leben, können wir andere Menschen lieben, können geben, das Leben schätzen und Erfüllung finden.

Wie wir das umsetzen können und welche praktischen Ansätze der tibetische Buddhismus hierfür bietet, kannst du nächste Woche in Teil 2 dieses Posts bzw. auf meinem Blog (https://nirvanayoga.de/blog-yoga-und-ganzheitlichen-therapien/) lesen.

Liebe Grüße,

Nirvana

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Inspiration und Quellen: Reginald A. Ray: - "Meditating with the Body", "Die Intelligenz des Körpers"

https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Reich

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